Gelesen: „Blutroter Stahl. Sword&Sorcery-Geschichten für brachiale Helden“
Entdeckt habe ich die Anthologie durch die letzte Lesung des BB E-Book Events 2016. Nun die Kulisse verhieß Unheil und hätte auch für die Lesung aus der „Fleisch“ Horror-Reihe gepasst. Nichts für sanfte Gemüter also.
Aber man sollte ein Buch nicht nur nach seinem Cover beurteilen und die Lesungen von Christian Günther und Thorsten Küper machte Lust mal wieder einen Abstecher in das Fantasy-Genre zu unternehmen. Gesagt, getan und die Sammlung von Fantasy-Kurzgeschichten landete auf meinem E-Book-Reader.
Der Kenner des Genres mag jetzt einwenden: Fantasy-Kurzgeschichten? Das hört sich erstmal paradox an, hat aber – zumindest in diesem Sammelband – eine erstaunliche Qualität zu Tage gefördert. Ich persönlich denke bei Fantasy mehr an die epische High-Fantasy und mit der hätte episches Erzählen und die kompakte und hochverdichtete Erzählweise der Kurzgeschichte wohl nicht zusammengepasst. Aber bei Sword&Sorcery a la „Conan“ tun sich erstaunliche Parallelen zum Cyberpunk auf, so paradox sich das jetzt auch anhören mag. Abgerissene Punks schlagen sich durch wenig oder ehr dystopisch zivilisierte Umgebungen und versuchen sich als Söldner oder Diebe durchzuschlagen. Die magischen Elemente unterscheiden sich in Auswirkung und Ansehen nicht wirklich von der Hightech des Cyberpunks. Und natürlich fliegen die Fetzen. Kurz: alles, was der Junge im Mann total klasse findet. Aber man sollte die Geschichten nicht als simple Unterhaltung abtun, zwischen den Zeilen lässt sich einiges lesen. Bei einigen Geschichten Subtiles und Hintergründiges, bei anderen leider weniger Subtiles, zu offensichtlich Moralisierendes.
Christian Günther: In den Wäldern so still.
Diese Geschichte hat mich dazu animiert diese Sammlung zu kaufen, also hat sie mir offensichtlich gut gefallen. Die Geschichte spielt zwar in einem heruntergekommen Wirtshaus an Rande der Wildnis, mutet aber in der Darstellung der Charaktere sehr modern an. Die Geschichte ist dabei sehr atmosphärisch und spielt gekonnt mit den klassischen Stereotypen des Genres und einer modernen Sicht auf die Welt. Klasse!
Anja Bagus: Das letzte Lied.
Wenn man mich fragen würde, welche Geschichte ich für die beste der Anthologie halten würde, die Geschichte von Anja Bagus würde bei mir mit ganz vorne auf der Shortlist landen. Es geht direkt ins pralle Leben einer klassischen Sword&Sorcery Welt. Es gibt einiges zu entdecken und nach und nach enthüllt sich die Geschichte dem Leser. Mir hat besonders die Wendung am Schluss der Geschichte gefallen. Vielleicht etwas klassisch melodramatisch, aber sehr gelungen und – schön. Ein Kleinod.
Judith & Christian Vogt: Das Geheimnis des Stahls.
Ein Leben erzählt man nicht ein einer kurzen Geschichte, oder doch? Der Hauptcharakter bleibt trotz der Tatsache, das man ihn fast sein ganzes Leben begleitet seltsam anonym. Dennoch begleitet man ihn auf seinem Lebensweg und ergründet am Ende zusammen mit ihm das „Geheimnis des Stahls“. Die Geschichte bleibt mit ein paar Punkten, über die man noch etwas grübeln kann und ich finde, das zeichnet eine gute Geschichte aus. Klasse!
Thorsten Küper: Findet Frieden unter den geborstenen Monden.
Diese Geschichte atmet Atmosphäre, man kann die Umgebung riechen, schmeckt Blut und Sand in seinem Mund, während sich der Staub der anrückenden Arme auf die Lunge legt. Diese Kurzgeschichte stößt einen mit der Nase tief in die Welt, in der sie spielt, anstatt nur kurz darüber hinweg zu huschen. In dieser Geschichte ist der Held nicht der klassische Conan, sondern eines der unzähligen Opfer auf dem Weg des alles zermalmenden Schicksalsrades. Wirklich? Es folgen noch ein paar küpersche böse Überraschungen, die diese Geschichte zu einem harten Konkurrenten für Anja Bagus Kurzgeschichte machen. Böse, aber gut!
B. C. Bolt: Die Rosine im Kuchen.
Das der Titel des Geschichte mit der Geschichte selbst zu tun hat erschließt sich mir nicht wirklich, dafür ist die Geschichte selbst alles andere als unzugänglich. Ich persönlich habe mich als Leser etwas unterfordert gefühlt, aber dennoch war es keine schlechte Kurzgeschichte. Die Charaktere waren sympathisch und die Geschichte hatte eine nette und überraschend spitze Schlusswendung. Vielleicht nicht die beste Geschichte der Anthologie, aber auch nicht die Schlechteste.
Marc Geiger: Die träumende Stadt.
Diese Geschichte ist ein weiteres Kleinod der Sammlung. Marc Geiger versteht es in seiner Geschichte klassische Sword&Sorcery in eine Kurzgeschichte zu verdichten. Wenn eine Geschichte die scheinbar paradoxe Aufgabenstellung perfekt umgesetzt hat dann diese. Sehr klassisch und das Genre perfekt bedienend entsteht auf wenigen Seiten eine eigene Welt, die sich definitiv nicht vor den Schwergewichten des Genres verstecken muss. Langsam wird es eng an der Spitze des Olymps.
Kay Noa: Treue.
Obwohl es einige witzige Stellen in der Geschichte gab, hätte ich mir gewünscht, dass diese Geschichte eine kürzere Kurzgeschichte gewesen wäre. Der Erzählstiel ist ausschweifend und umkreist des Pudels Kern geschickt in weiten Bahnen. So rätselt dieser Leser der Geschichte worum es denn hier nun genau ging. Wenn man die Geschichte dagegen als Parodie auf das Genre sieht, dann entfaltet sich doch eine Menge Witz. Ich lass das an dieser Stelle einfach mal offen. „Ja, Khasay, offen!“ 😉
Tom Daut: Die letzte Schlacht.
Gleich bei den ersten Zeilen höre ich den leidenschaftlichen Erzähler, der jede Lesung zu einem Event macht. Wenn blutiger Stahl zu erwarten ist, dann hier. Der Leser wird nicht enttäuscht. Aber man sollte sich nicht von der anhaftenden Theatralik blenden lassen, der Schluss dieser Geschichte wartet mit einer gut vorbereiten Wendung auf, die sich definitiv nicht vor der in Thorsten Küpers Geschichte verstecken muss. Mir hat es gefallen. Klasse!
Gloria H. Manderfeld: (K)ein Held für einen Tag.
Diese Geschichte fing stark an, schloss aber so subtil wie eine Kirchenpredigt. Etwas weniger Schadenfreude am Schluss der Geschichte, hätte diese Kurzgeschichte zu einem Kleinod werden lassen. Dabei hat mir die Grundidee und die Lebendigkeit der Welt und der darin lebenden Charaktere recht gut gefallen. Dem Schluss fehlt es etwas an Hintergründigkeit und Raffinesse, um diese Geschichte ganz oben mitspielen zu lassen. Auf dem letzten Meter gestolpert, leider.
Daniel Isberner: Die Rache.
Diese Geschichte macht die Anthologie von Fantasy Kurzgeschichten zu einem gelungenen Experiment. Dabei pendelt diese Geschichte mehr in Richtung einer fulminaten Schlusswendung. Sehr lebendig und mit einer Wendung, die einem erstmal Schlucken lässt. Am Ende eines langen Romans sollte man solch eine Wendung besser nicht bringen, wenn man nicht das Genre Horror gleich mit bedienen oder es sich mit seinen Fans komplett verscherzen will. Aber bei einer Kurzgeschichte passt es. Das Genre geht also auch als Kurzgeschichte. Klasse.
Christel Scheja: Der Weg einer Königin.
Der Weg der Königin wird etwas epischer, lass sich aber kurzweilig, wenn man von ein paar Stellen absieht, an denen man vielleicht noch etwas hätte kürzen können. Eine runde Geschichte mit einem vielleicht etwas zu glatten Ende. Aber schön erzählt und angenehm atmosphärisch.
Florian Wehner: Wiedergeburt.
Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Ein gefallener Held auf dem Weg zur Wiedergeburt. Auf dunklem Pfad führt uns die Geschichte in einen dunklen Tempel in dem Schwert und Zauberei die Klingen kreuzen. Es ist nicht alles, wie es scheint, aber dennoch führt der Weg zum Licht durch eine dunkle Gasse voller Blut. Mich hat die Geschichte gefesselt. Klassische Sword&Sorcery mit einer nicht ganz überraschenden Wendung, wobei das Ganze noch einen Hauch von Clint Eastwood hatte. Conan in intelligent und glaubwürdig, was will man mehr?
Mike Krzywik-Groß: Der Krähenkönig.
Ein versnobter Gnom und ein gealterter Haudegen, der seine guten Tage schon längst hinter sich hat. Es macht Spaß dieses ungleiche Duo auf ihrem vielleicht letzten Abenteuer zu begleiten. Sehr humorig geht es dem Krähenkönig an den Kragen und die Schlusswendung fand ich absolut gelungen. Ein kleiner Schlag auf den Hinterkopf, der eine Kurzgeschichte zu einer guten Kurzgeschichte macht. Klasse!
Peter Hohmann: Blutstein.
Eine klassische Sword&Sorcery Diebesgeschichte, die gar nicht so ausgeht, wie man es erwarten würde. Ein schönes Spiel mit der Erwartung des Lesers, atmosphärisch und lebendig erzählt. Man bekommt mehr als man ursprünglich vermuten mag. Klasse.
Torsten Exter: Die Welle der Meeresbiester.
Eine eigentlich schöne Idee, aber nicht ganz schlüssig erzählt. Diese Geschichte erinnert etwas an eine Collage. Man kann erkennen, worum es geht, aber man merkt der Geschichte ihre inneren Sprünge an. Es fehlt mir etwas die überraschende Wendung, die Geschichte ist zu linear erzählt und der Schluss überzeugt mich nicht. Sprachlich gut geschrieben, aber der Sprung kann noch so schön sein, wenn man dabei die Latte reißt: gerissen ist gerissen.
In Summe eine gelungene und absolut lesenswerte Fantasy-Kurzgeschichten Anthologie. Da waren eine Menge mehr Perlen mit dabei, als die blutrünstige Aufmachung vermuten ließ. Klasse!