Nach gestriger Diskussion über meinen letzten Beitrag zum „Cechov-Gate“ habe ich mir die beiden noch nicht gelesenen Kurzgeschichten und natürlich den Cechov noch mal zur Brust genommen.
Im Nachhinein hat die ganze Sache etwas von Shakespeares „Viel Ärger um Nichts“. Viel Aufregung, wo keine hätte sein müssen.
Guy de Maupassant “The Necklace” (1884, “Das Halsband”)
http://www.eastoftheweb.com/short-stories/UBooks/Neck.shtml
Eine erfrischend klare Geschichte. Sehr gradlinig und präzise auf den Punkt. Die Geschichte um das geliehene teuere Statussymbol, und den Preis, den man für einen schönen Abend zu zahlen hat: Sie ist immer noch aktuell – vielleicht sogar aktueller den je.
Meiner Meinung eine Geschichte, die man jedem vorlesen sollte, sobald derjenige in der Lage ist sie zu verstehen. Und dann natürlich, zu passender Gelegenheit, regelmäßig aufgefrischt werden sollte.
Vielleicht hat diese Geschichte zu viel Moral in der Pointe, um als Literatur für den Elfenbeinturm durchzugehen, aber es war eine gute Geschichte, eine die sich so weglass, aber dennoch einen Eindruck hinterlassen hat.
Meiner Meinung nach in ihrer Klarheit und Effizienz hochmodern.
Ambrose Bierce “An Occurence at Old Creek Bridge” (1891, “Die Brücke über den Eulenfluß”)
http://www.gutenberg.org/files/375/375-h/375-h.htm
War die vorherige Geschichte leicht und klar, so kommen wir nun zu einem schwierigerem Thema. Die Geschichte spielt in den letzten Tagen des amerikanischen Bürgerkriegs und hier ist es nicht ganz unwichtig sich den historischen Kontext in Erinnerung zu rufen.
Die Südstaaten haben den Krieg verloren und nun steht ein Gentleman aus dem Süden auf einer Brücke. Hört sich zunächst fast schon idyllisch an, wäre nicht dieses kleine, unschöne Detail mit dem, um den Hals gebunden, Strick.
In der Geschichte wird des Öfteren die Perspektive gewechselt, was einen etwas aus dem Lesefluss reist. Man liest mehrere Kurzgeschichten zum selben Ereignis, die jedes Mal einen anderen Aspekt betrachtet. Nun das Ende wird natürlich nicht verraten, aber dennoch, es war morbid, aber gelungen.
Neben der persönlichen menschlichen Ebene der Geschichte, kann man hier sehr wahrscheinlich von einer Metaebene ausgehen. Es ist natürlich eine Sache der Interpretation, aber hier stehen der Gentleman aus dem Süden und die geballte Staatsmacht des Nordens stellvertretend für das Gefühle in der Gesellschaft des Südens. Einerseits Bedauern über die eigene Leichtfertigkeit und den Verlust – fast schon ein Schuldeingeständnis und eine Entschuldigung, andererseits auch Anklage über die Unbarmherzigkeit – und ja auch Hinterfotzigkeit – der Sieger.
Also keine leichte Kost, aber dennoch ein Kleinod, wenn auch ein komplexes.
Und das führt uns gleich zum letzten Punkt der Leseliste:
Anton Cechov “The Man In a Case” (1896, “Der Mensch im Futteral”)
http://www.online-literature.com/anton_chekhov/1289/
Eine scheinbar vor sich hinplätschernde Geschichte, ein nettes Dönerkes aus der Provinz. Den Kern der Geschichte hat Anton Cechov gut verborgen und das vermutlich hinter mehr als einer Metaebene.
Vielleicht ist diese Vielschichtigkeit gerade das Wesen der Geschichte, ebenso wie die Matroschka das Wesen der russischen Seele widerspiegelt.
Dann wäre der Weg das Ziel …