Der BB Ebook-Event Countdown 2014 – Bernhard Giersche

Wie vielleicht schon im einen oder anderem sozialen Netz mitgekommen, das Interview mit Bernhard Giersche war lang und intensiv. Er hat dabei viel von sich und seiner Weise Romane zu schreiben preisgegeben und sich dabei tief in die Seele blicken lassen. Wenn er im Interview den Vergleich mit Stephen King und Andreas Eschbach scheut, setze ich nochmal einen drauf: Er hat schon recht, von der Intensität, mit der er seine Charaktere und damit Geschichten lebt, erinnert mich das dann fast schon an Ernest Hemingway. Vielleicht nicht – wie Hemingway – bis in jedes Detail perfekt ausformuliert, aber dennoch voll unbändiger Kraft. Jemand der sich ohne zu zögern nackig macht um (s)einen Hund vor dem Ertrinken zu retten.

Live kann man den Autor auf den BB eBook Event am 03.05.2014 um 20:00 Uhr im SL-Planetarium erleben – dort wahrscheinlich aber angezogen, so SL will …

Aber jetzt keinen Druck aufbauen, hier das Interview mit Bernhard. Die Entscheidung seines Avatars Eszettcisle fürs Lagerfeuer bedurfte nicht mal einer Frage – schließlich hatte ich ihn damit hergelockt und wir haben noch etwas seine Settings gepimpt, damit das Feuer dann auch zu sehen war.

Nach leichten Gefecht mit der Tücken und Feinheiten der Technik ging es dann los …

Eszettcisle: Ich melde mich mit leichter Verspätung zum Interview.

Hydors Golem: prima noch einmal durch schnaufen dann können wir loslegen 😉

Eszettcisle: Mein Name ist Erwin Lottermann

Hydors Golem : Hallo Bernhard, vielen Dank das du dich für ein Interview zum BB eBook Event hier in SL zur Verfügung stellst … Erwin Lottermann?

Eszettcisle: Zur Verfügung stellst, ist gut…ich fühle mich geehrt! Kennst du nicht das legendäre Interview von Loriot?

Hydors Golem: Hm, ist mir gerade nicht präsent.

Eszettcisle: Sende dir später mal einen Link

Hydors Golem: ok bin mal gespannt

Eszettcisle: Ok … starten wir oder sind wir schon mittendrin?

Hydors Golem: sind schon drin, aber ich kann schneiden 😉

Eszettcisle: lol… das finde ich sehr sehr tröstlich.

Hydors Golem: wobei die Out-Takes das Ganze irgendwie sympatisch machen 😉

Eszettcisle: Der beste Out-Take war wohl mein Computer … ich werde das Ding im neuen Roman töten

Hydors Golem: Na immerhin eine Vorlage für den nächsten Roman.

Eszettcisle: Vorlagen gibt es täglich, da kann ich nicht gegen an schreiben.

Hydors Golem: stimmt auch wieder. Das Problem ist meistens sich beherrschen zu müssen alles kann man meistens nicht mit in einen Roman hineinnehmen.

Eszettcisle: Ich sehe das anders … die Kunst liegt darin, aus den kleinen Dingen des Lebens etwas Grauenvolles zu machen…wenn man sich einmal darauf einlässt, kommt man aus dieser Gedankenspirale nicht mehr heraus…

Man ist untauglich sozusagen, um jemals wieder „normal“ zu sein … gib mir eine banale Szene in einer Fussgängerzone und ich bastle Dir etwas Krankes daraus. Das ist immer in meinem Kopf, wie würde sich das lesen lassen?

Aber ich fange schon an zu labern..dabei hast du mir keine einzige Frage gestellt

Hydors Golem: Das ist mir lieber als jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen zu müssen 😉

Eszettcisle: lach. Dann hoffe ich, dass du Zeit mitgebracht hast. Ich bin Schreiber, solltest Du wissen. lol.

Hydors Golem: Ja klar, kein Problem 😉

[an dieser Stelle wussten wir beide noch nicht das das Interview fast 2 Stunden dauern würde…]

Eszettcisle: Siehst du diese Dinger da von den Bäumen fallen?

Hydors Golem: die Kirschblüten?  Ja.

Eszettcisle: Was, wenn es kleine Datensaugende Gismos sind, die die Chinesen hier in Deine kleine Plattform implementiert haben? Sie saugen sich an deinem Avatar fest und verseuchen deine Hardware. Das Ende ist nahe…

Hydors Golem: Wie hältst du es denn mit den eBooks? Schließlich läuft das kommende Event ja unter diesem Titel.

Eszettcisle: Ach so, eBooks. Also …

Meinen Kram gibt es auch als eBook und mein Verleger musste mich überreden, dass ich das zulasse. Ich gehöre im Grunde zu der konservativen Fraktion. Ein Buch muss physisch sein und alle Sinne beflügeln.

Jeder Gegenstand hat auch eine Ausstrahlung und ein Datensatz kann das nicht leisten.

Trotzdem ist es wohl so, dass es auch eindeutige Vorteile gibt, was das eBook angeht. Meine Gisela hat so einen Reader und manchmal beneide ich sie.

Praktisch ist das – keine Frage – aber hat es Stil? Nein, hat es nicht.

Hydors Golem: Machen Dinge sind beim Papierbuch praktischer, ob es nun farbig markieren oder mal schnell ein paar Seiten zu überblättern sind. Ich nutze viel eBook, vor allem auf Reisen. Man wird fast schon dabei gezwungen konzentrierter zu lesen.

Eszettcisle: Ja und Nein. Auf Reisen supergut, da bin ich voll auf eBook. Alternativlos. Wenn ich an früher denke, wo man 50% des Transportvolumens im Koffer mit Büchern belegte. Aber eben das Blättern, nochmal Nachlesen, nochmal eben reinschauen. Das geile Lesezeichen mit der Telefonnummer der attraktiven Kellnerin. Das kann kein eBook jemals leisten.

Und versuche mal, eines zu signieren! Mit dem Edding geht das, aber die Begeisterung der Fans ist rudimentär.

Hydors Golem: Hehe ja, da ist das Papierbuch ungeschlagen.

Eszettcisle: Alles hat, wie immer, mindestens zwei Seiten.

Hydors Golem: Wie wahr, Wie wahr.

Eszettcisle: Aber ich verstehe und respektiere das. Es ist eine Erscheinung in unserer Gesellschaft und entspricht der derzeitigen Entwicklung. Zukunft hat das, glaube ich, nicht wirklich.

Hydors Golem: Wie siehst du denn Lesungen in SL in Verhältnis zu Lesungen in RL ?

Eszettcisle: Ich hole mal etwas aus, um die Frage zu beantworten. Als Thorsten Küper mich fragte, ob ich im Krümelkram lesen wollte, habe ich bei Google nachsehen wollen, wo denn dieses Cafe wohl ist. Es dauerte seine Zeit, bis ich begriff, dass das ein digitales Parallel-Universum ist. Ich habe mich gerne darauf eingelassen und Thorsten hat mich da sehr ans Händchen genommen. Die erste Lesung habe ich bei ihm zu Hause gemacht. Wohlbehütet und gut verpflegt. Ich denke, dass das eine sagenhafte Sache ist. Lesungen im RL unterscheiden sich wirklich nur durch die physische Präsenz von den Vorträgen hier im SL. Mir als Vortragendem geht es genauso, als würde ich in einer Buchhandlung oder so sitzen.

Und es gibt klare Vorteile: hier können die Leute während der Lesung kommunizieren und schon sehr zeitnah diskutieren, ohne dass der Hörgenuss getrübt wird. Im RL ist das gänzlich undenkbar.

Und natürlich ist der unschlagbare Vorteil, dass wirklich jeder, ob nah und fern, ob mobil oder immobil, dabei sein kann. Ich schätze das sehr.

Hydors Golem: Ja die Anreise ist deutlich verkürzt und die Lesungen gehen auch im (in*) Pölter mit Wärmflasche auf dem Bauch

Eszettcisle: Ich mag meine Gäste gar nicht im RL visualisieren, während ich lese….das wäre klasse, wenn man das mal einblenden könnte 🙂

Bumms…wieder ne Idee für eine Geschichte

Hydors Golem: Das geht bei dir ja wie das Brezel backen. Eine Kurzgeschichte von mir ist stark SL inspiriert. Was hältst du von den Möglichkeiten die SL z.b: bei den Kulissen, aber auch beim Aussehen der Avatare bietet?

Eszettcisle: Das finde ich krass. Hier geht wirklich alles. Ich bin schon fast froh, zu wenig Zeit zu haben, mich intensiver damit zu befassen.

Die Versuchung hier eine für mich passende Welt zu erschaffen würde mich zeitlich und finanziell ruinieren. Neudeutsch: Geil.

Hydors Golem: Deutlich preiswerter geht das Bauen ja in den Opensim-Systemen, aber Zeit ist wirklich ein Faktor, den man nicht unterschätzen sollte.

Eszettcisle: Derzeit böhmische Dörfer für mich…

Ich habe mich bei der Kreation meines Avatars derart lächerlich gemacht und wenn ich an meinen ersten Eintritt hierhin denke werde ich immer noch rot. Ich war nackt und konnte mich nur sitzend bewegen – weiha.

Erste Regel: Nie sitzend teleportieren

Hydors Golem: Hui, das passiert auch den Profis hier, wenn ich da an das FDL zurück denke 😉 da war die ganze erste Reihe auf einer Lesung nackt.

Eszettcisle: das tröstet mich jetzt

Hydors Golem: Aber nie sitzend teleportieren ist eine gute Regel!

Eszettcisle: Das Leben birgt solche Erkenntnisse

Hydors Golem: Stimmt man lernt nie aus und kann immer was mitzunehmen. Dein erster Roman „das letzte Sandkorn“ wie viele Dinge daraus hast du so im realen Leben aufgeschnappt und was ist deiner Phantasie entsprungen?

Es scheinen ja eine ganze Menge Leute am Anfang vollkommen durchzudrehen. Hast du so etwas schon mal persönlich erlebt?

Eszettcisle: Im Grunde ist ja jede erdenkliche Geschichte schon einmal erzählt worden. Mich interessiert die Natur des Menschen, seine Strukturen, seine Triebe. Das sich die Menschen im „Sandkorn“ so verhalten haben, ist nur natürlich.

Menschen sind nicht kreativ im bewirkenden Sinne. Sie sind pragmatisch und gehen immer den Weg des geringsten Widerstandes, insbesondere dann, wenn es um die eigene Haut geht.

Hydors Golem: Besonders positiv am Sandkorn sind mir die absolut lebendigen Charaktere aufgefallen – Wie gehst du beim Schreiben vor? Planst du viel oder entdeckst du die Geschichte beim Schreiben?

Eszettcisle: Ich bin jemand, der eine Kernidee hat. Ich mag es nicht, nach Exposés zuschreiben und vorher alles festzulegen. Das echte Leben kennt auch keine Exposés. Ich beginne zu schreiben, einfach so mit der Idee und lasse die Story dann von der Leine.

Manche sagen, das sei unprofessionell und kann keine gute Geschichten erschaffen. Ich sehe das anders. Ich will ja auch Freude haben am Schreiben und ich bin davon überzeugt, dass es besser ist, die Geschichte von der Leine zu lassen. Die Protagonisten entwickeln dann ihre Charaktere, sie reifen und verändern sich und überraschen manches mal sogar mich als Schreiber. Das war beim Sandkorn so und das war bei „Karl“ so.

Ich habe jede Menge Dinge in meinem Leben persönlich erlebt. Das Sandkorn war noch in einigen Bereichen wirklich mit autobiographischen Komponenten versetzt. Karl ist da anders.

Hydors Golem: Nun als Entdecker bist du in guter Gesellschaft wie Stephen King, Andreas Eschbach und vieler anderer.

Eszettcisle: Ich weiß nicht ob ich mich wirklich würdig fühle, in einem Satz mit diesen Autoren genannt zu werden

Hydors Golem: Es ist auf jeden Fall nicht unprofessionell so zu schreiben wollte ich damit sagen, meine letzte Interviewpartnerin schreibt entdeckend und ich ebenso – wichtig ist was nachher dabei heraus kommt.

Eszettcisle: Ich denke, das Sandkorn, als Erstling, hat mir die Tür dazu geöffnet, nachzulegen. Das ist wie in einer Castingshow – eine Runde weiter. Von „Karl“ hängt für mich persönlich deutlich mehr ab, was meine Ambitionen als Autor angeht.

Hydors Golem: Ich habe die Leseprobe von „Karl“ gelesen und man wird dabei tief in menschliche Abgründe blicken vermute ich …

Eszettcisle: Nun, ich fürchte: Ja.

Ich bin da ziemlich weit reingegangen, ohne Splatter zu benutzen. Im Grunde ist das so, wie der Klappentext es sagt: ich finde das nach wie vor erschreckend, was meinen lieben Protas so alles passiert.

Und dieses „ausgeliefert“ auf dem Cover hat seine Berechtigung…

Hydors Golem: Wobei Karl nicht wirklich ein übermäßig sympathischer Mensch zu sein scheint …

Eszettcisle: Nun, er ist der Hauptprotagonist – also ich liebe ihn 🙂

Hydors Golem: Würdest du das Buch als Horror bezeichnen? Bzw. das Genre des Buches.

Eszettcisle: Absolut nicht. Das ist kein Horror, es sei denn, die Untiefen unserer Mitmenschen sind als Horror definiert. Ich denke die Bezeichnung „Thriller“ auf dem Cover ist klares Understatement.

Es ist ein lupenreiner Psychothriller, aber mein Verleger und ich haben beschlossen, nur Thriller drauf zuschreiben. Es schmücken sich allzu viele mit dem Prädikat „Psychothriller“ – ohne wirklich abzuliefern

Hydors Golem: Ja, der Begriff wird häufig benutzt. Aber jeder Mensch hat so seine dunklen Stellen.

Überdeckt mit einer dünnen Tünche die sich Zivilisation nennt (ist leider bei Frank Herbert geklaut)

Eszettcisle: Schade, dass ich das Interview nicht führe, sonst würde ich nach Deinen dunklen Seiten fragen.

Hydors Golem: ich lasse meine Charaktere leiden wenn ich tagsüber geärgert wurde ;). Was aber der Handlung erstaunlicher Weise eher gut tut, als das es schadet.

Eszettcisle: Ich habe da zwei Seiten in mir – mein eigenes Ich und die Story.

In meinem nächsten Buch geht es etwas anders zu. Ich tauche da sehr sehr tief in die menschlichen Untiefen und bin schon sehr erschrocken darüber, solche Dinge durchleben zu müssen, beim Schreiben …

Hydors Golem: wie dicht bist du an deinen Charakteren dran, bist du in einem Charakter drin oder schaust du ihn eher über die Schulter?

Bei mir laufe ich als unsichtbarer Beobachter mit, wenn ich in der Story bin.

Eszettcisle: Nein. Ich kann nicht anders, als ganz und gar so zu sein wie mein Protagonist, wenn ich ihn beschreibe. Er könnte sonst nicht leben. Als Schreiber bin ich sozusagen der Avatar für meine Leute. Ich muss SIE sein – sonst geht das nicht ….

Hydors Golem: Das hört sich sehr intensiv an. Ist es dann schwierig sich wieder von Charakter zu lösen?

Eszettcisle: Manchmal. Es ist doof, wenn man im echten Leben dann Impulse hat, Leute zu töten oder Städte niederzubrennen. Bislang habe ich das im Griff – aber wer weiß, wie lange noch?

Hydors Golem: Ich habe öfter das Bedürfnis Leute zum Mond zuschießen, kenn ich 😉

Eszettcisle: Wenn das ginge, wäre der Mond überbevölkert …

Hydors Golem: … und die Erde leer.

Eszettcisle: lol – Komm frag mich was 🙂

Hydors Golem: Eine Frage hab ich noch auf meinem Zettel: Bist du eigentlich vor der Lesung aufgeregt oder die Ruhe selbst ?

Eszettcisle: Ich bin definitiv aufgeregt. Vielleicht nicht mehr so sehr wie beim ersten Mal. Aber es ist immer dieses spezielle Kribbeln da. Sachen zu schreiben ist eines, sie andere lesen zu lassen ist die größte Hürde. Selbst daraus vorzulesen …puh… man muss leiden wollen, wenn man das tun soll.

Hydors Golem: Irgend wer hat mal gesagt : Lesungen sind die Rockkonzerte für Schriftsteller – geniest sie !

Eszettcisle: Ja. Da ist was dran. Aber wie alle haben wir auch die Angst, ausgebuht zu werden. Wenn so eine Lesung floppt weil du die Leute nicht erreichst – dann ist das die Hölle.

Hydors Golem: Das ist dann die andere Seite der Medaille.

Eszettcisle: Womit wir wieder bei dem Thema wären: Alles hat viele Seiten 🙂

Hydors Golem: Und es kann nie schaden sich ein paar mehr als nur eine davon anzusehen.

Eszettcisle: ich möchte nicht darauf verzichten und ich bin sehr froh und dankbar, die erste Lesung aus Karl wieder im SL machen zu dürfen.

Und so wie es aussieht wird Thorsten wieder was kochen und ich mache das in der Villa Kueperkram oder Cyberpunk oder so.

Krümelpunk.

[Wer da jetzt kein Kopfkino bekommt 😉 ]

Hydors Golem: Ich jedenfalls bin auf die Lesung am 03.05.2014 um 20:00 Uhr gespannt. Ich glaube das ist ein gutes Schlusswort – ohne Thorsten würden wir darben müssen 😉

Eszettcisle: Er ist definitiv eine Größe. Mein persönlicher Cyberheld und digitaler Mentor.

Ich bedanke mich, dass ich die Ehre hatte, hier zu sitzen und erzählen durfte…

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