Brauchen wir eine neue Science-Fiction?

Der Artikel von Günter Hack aus dem Feuilleton der FAZ liegt schon länger bei mir auf dem Schreibtisch. Eigentlich hatte ich schon längst darüber schreiben wollen, aber manche Dinge sollte man vielleicht in Ruhe reifen lassen.

Es steckt ein Funken Wahrheit in dem Artikel. Trotz einiger Schwächen und berechtigter Gegenargumente zum Artikel durchaus ein lohnenswerter Denkanstoß – meine erste spontane Meinung.

Eines der inhaltlich schlagkräftigsten Gegenargumente war: Diese neue SF gibt es doch schon!

Meine erste spontane Reaktion war: wo? Meine zweite war: will ich die wirklich lesen?

Was fordert der Autor hier eigentlich für eine SF? Und warum?

Wenn ich den Artikel richtig deute, wird eine SF gefordert, der einen Entwurf von dem schafft, wie es eigentlich sein sollte. Etwas das man selbst ersterben möchte, kurz die Urgroßmutter der Phantastischen Literatur: die Utopie.

Wahrlich, die ist wirklich selten geworden. Mir fällt dazu eigentlich nur Thomas Morus Utopia ein. Es mag eine Bildungslücke meinerseits sein, aber das Gegenteil von Utopie, die Dystopie ist das beherrschende Setting. Neben dem gütigen Diktator des sich im Omnipotenz-Rausch befinden Helden.

Kann die Utopie wirklich eine gute SF-Story sein oder werden? Kauft einem das ein Mensch von heute wirklich ab? Die Rosa-Watte-Version, alá Rosamunde Pilchner oder Harry Potter auf jeden Fall (Ok – ist jetzt keine SF).

Gehört es nicht zum guten Ton in der SF allen Heilsversprechungen zu misstrauen oder gar sich in der Dystopie wohlig zu wälzen? Ist der Rebell, der sich gegen das böse Oben behauptet, nicht der Held?

Wer könnte der Held der Utopie sein? Der gütige Diktator? Eindeutig nicht, denn das wird aus einer Utopie, die nicht funktioniert oder auf Abwege gerät? Genau: die Muster-Dystopie. Der sich permanent bemühende Streiter für das Gute und Gerechte? Schon viel besser. Nur wo gegen streitet der? Genau: gegen das unvermeidliche Scheitern einer Utopie, die nicht permanent auf ihre Utopizität, ihr Gut sein, überprüft und korrigiert wird. Und auch da ist das Scheitern möglich und vielleicht sogar wahrscheinlich.

Eine gesunde Portion Misstrauen gegenüber Utopien ist wahrscheinlich eine der besten Waffen im Ringen um einen Zustand der den der Utopie anstrebt.

Bleibt also am Ende nur der normale Mensch, der sich um das Gute und Gerechte müht, sich aber bewusst ist, dass er auf einem schmalen und steinigem Grad wandert. Wie der gute alte Sisyphos. Am Ende lautern dann doch wieder Erschöpfung und Aufgeben. Wenn man es nicht schafft die Fackel an den Nächsten weiter zu geben. Oder unsterblich ist. So wie z.B. Perry Rhodan.

Perry Rhodan? Der Deserteur, der sich zum gütigen Diktator aufgeschwungen hat? Ja, genau der! Der Vorteil an der – relativen – Unsterblichkeit ist, dass man sich wandeln kann und muss. Was der fiktive Held in seinen 52 Jahren realer Leserzeit kontinuierlich getan hat. Eines ist ihm aber geblieben: Der Wille zum Guten zu handeln. Nicht immer ohne berechtigtes Misstrauen an diesem Vorbild. Aber ohne ein gewisses Sendungsbewusstsein hätte es die Serie nicht bis in die heutige Zeit geschafft. Die goldenen Zeiten eines William Voltz sind vielleicht vorbei, das Thema Utopie ist aber top aktuell, auch wenn es eine Atopie geworden ist …

Was jetzt aber nicht heißen soll, dass man es sich im Schatten es übermächtigen Weltenbaumes Perry Rhodan – oder anderer Serien, wie z.B. Star Trek usw. – allzu bequem machen sollte: Selbst ist der Schreiberling und das Gute mit Besserem zu übertrumpfen – nun ein Versuch kann jedenfalls nicht schaden. Und falls es schiefgehen sollte: Eine guter Weltuntergang geht immer …

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3 Antworten zu Brauchen wir eine neue Science-Fiction?

  1. Peter Glasmacher sagt:

    .. Wo zum Teufel leiten sie die Rolle Perry Rhodans als ‚gütigen Diktator‘ ab. Ich lese das Zeugs seit mehr als 50 Jahren. Und trotz des Abenteuercharacters der Serie, nie ein Hehl aus der demokratischen Legitimation des Protagonisten ge,axht wurde. In diesem Kontext sind Angie, Hollande und Obama auch ob ihrer gefühlten oder im Falle der beiden letzteren ‚gütige Diktatoren‘. sch….. Begriff 🙂

    Peter

    • Hydors Golem sagt:

      Als Grossadministrator war PR m.M.nach nie Wirklich in Gefahr abgewählt zu werden, daher der Begriff. Der erste wirkliche Wandel in der Richtung tratt bei den Ereignissen auf, die zur Gründung von Chamelot geführt haben. Aber ich gebe zu ich habe eine Lücke von ca. 300 bis 400 Romanen …

      • Hydors Golem sagt:

        Und die Anfänge kenne ich nur aus den Silberbänden, da mag einiges unter den Tisch gefallen sein.

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